Unscheinbar, grossartig, selten


Nina Schwarz BA




Der Mitteleuropäische Halbtrockenrasen im Botanischen Garten Bern

So unspektakulär und trocken dieser Lebensraum erscheinen mag: die Pflanzen, die dort anspruchslos und unscheinbar gedeihen, sind ein wichtiger Teil der botanischen Vielfalt. Um Besuchende des Gartens auf den verborgenen Reichtum des Trockenrasens aufmerksam zu machen, habe ich mehrere Schautafeln gestaltet.


Gestalterisches Mentorat
Anita Dettwiler
und Michael Stünzi


Kooperationspartner*innen
Dr. Deborah Schäfer
und Flavia Castelberg
Botanischer Garten Bern

Fast die Hälfte aller Lebensraum-Typen in der Schweiz ist unter anderem durch den Klimawandel und die veränderte Landwirtschaft bedroht. Um das Aussterben gefährdeter Pflanzen zu verhindern ist die Ex situ-Erhaltung eine wichtige Massnahme. Damit werden die Kultur und die Vermehrung von teils seltenen Pflanzen ausserhalb ihres Lebensraums gefördert, zum Beispiel in botanischen Gärten. Das Ziel ist, die vermehrten Arten dann wieder in ihrem ursprünglichen Lebensraum anzusiedeln. 

Am Lorrainehang im Botanischen Garten Bern (BOGA) entsteht ein Mitteleuropäischer Halbtrockenrasen. Dieser Lebensraum-Typ gilt als verletzlich und soll durch die Ex situ-Kultivierung geschützt werden. In Kooperation mit dem BOGA habe ich ein Konzept entwickelt, das dem Publikum die Bedeutung und Erhaltung von einheimischen Wildpflanzen erklärt. Mehrere “Pflanzenportraits” beschreiben zudem Aussehen, Charakter und Besonderheiten einzelner Arten. Sowohl die wissenschaftlich interessierte Besucherin als auch der Spaziergänger mit seinen Kindern sollen an diesem Hang auf die vielen Fein- und Schönheiten der Natur aufmerksam gemacht werden. Ich wünsche mir, dass damit die Wertschätzung natürlicher Lebensräume und damit auch die Freude an unserer kostbaren Pflanzenwelt gefördert werden.





01 Vor Ort



Saat-Esparsette (Onobrychis viciifolia) Foto: Gian Losinger.

Mitteleuropäischer Halbtrockenrasen (Mesobromion) Foto: Gian Losinger.
Vielfältig und bunt Der Botanische Garten der Universität Bern stellt mit seinen 5500 verschiedenen Pflanzenarten einen Garten des Wissens und Lernens dar. Er zeigt die Vielfältigkeit der Pflanzen, vermittelt deren grosse Bedeutung und macht vor allem auf ihre Gefährdung aufmerksam.
Pflanzen scheinen sich kaum zu bewegen und sind nicht hörbar. Um ihre Lebenszeichen zu entdecken, braucht es viel Zeit und Hingabe. Bei genauem Hinschauen erkennt man, wie reichhaltig die Welt der Pflanzen ist.



Erfahren und entdecken
Am Anfang des Weges, der durch den Halbtrockenrasen führt, steht die Schautafel zum Thema Ex situ-Erhaltung. Sie führt die Besuchenden in die Thematik ein. Die sechs “Pflanzenportraits” sind am Wegrand positioniert. Diese machen auf die einzelnen Arten aufmerksam und zeigen Besonderheiten der jeweiligen Pflanze auf.


︎︎︎





02 Let’s walk



840x297mm




210x297mm




210x297mm

210x297mm




210x297mm





210x297mm

210x297mm






03 Faszination Zeichnen


Graustufen und Fokus
Die Reinzeichnung beginnt mit einer Schwarz-weiss-Umsetzung. Skizzenhaft erfasse ich die Formen der Pflanzen und baue die Komposition auf. Durch unterschiedlich detaillierte Ausarbeitung der einzelnen Bereiche entsteht ein Fokus und damit ein dynamisches Gesamtbild.



Die Wiese im Wachstum.

Die Zarte in der Entstehung.


Die Trügerische im Prozess.





Klang und Kolorierung
Durch die Wahl der Farben wird der Gesamteindruck des Bildes bestimmt. Zusätzlich unterstützt die Farbe die Blickführung und schafft eine Hierarchie. Die Pflanzen werden im blühenden Zustand dargestellt, damit Besuchende auch im Herbst und Winter diese Farbenvielfalt betrachten können.

Der Seltene wird bunt.


Der Unscheinbare blüht auf.






Zustände und AbhängigkeitenDie Farbgebung kann nicht strikt von der Erarbeitung der Formen und der Hell-Dunkel-Umsetzung getrennt werden. Die Bereiche greifen stark ineinander über.  Durch die Kolorierung können, wie hier, Formunklarheiten zum Vorschein kommen. (Blüte links)
01

Erste Schicht
02
Differenzierung
03
Detaillierung und Anpassung der Form 
04
Abstimmung und Akzente




Annäherung und Varianten
Manchmal braucht es mehrere Versuche, um eine harmonische Lösung zu finden. Anhand der Variantenbildung können Richtungen bestimmt und Entscheidungen getroffen werden.
01
02
03







Im Abschnitt der Ursachen wird eine helle, ungesättigte Palette verwendet, die  Kontraste sind mehrheitlich schwach. Diese Aspekte führen dazu, dass der Bereich in den Hintergrund rückt und eine eher triste Stimmung aufzeigt.



Durch den hohen Detaillierungsgrad und die  Buntheit wird in der Wiese ein Fokus geschaffen.  Die Farbe signalisiert den regenerierten und lebendigen Zustand der Pflanzen im botanischen Garten.



Der starke Hell-Dunkel-Kontrast zwischen den Händen und der Erde schafft einen weiteren Fokus. Dadurch sollen die Besuchenden darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Ex situ-Erhaltung aktives Eingreifen des Menschen erfordert.


Detail und Zoom
Auf der Ex situ-Schautafel habe ich  mit unterschiedlichen Strategien gearbeitet, um den Blick der Betrachtenden zu führen. Durch die Farbgebung werden die jeweiligen Hauptaussagen der einzelnen Abschnitte betont.






04 Sammlung 



Variieren und entwickeln
Es war mir ein Anliegen, der Örtlichkeit entsprechend einen stimmigen Zeichnungsstil zu entwickeln. Dafür habe ich verschiedene Stilproben angefertigt. Einige Ansätze habe ich verfeinert, andere gleich wieder verworfen.










05 Entwicklung



Sammeln und entscheiden
Zu Beginn des Projektes habe ich diverse Konzepte angedacht. Es sind Entwürfe zur Verknüpfung zwischen Tafel und Pflanze und zur Materialwahl und Inszenierung entstanden. Zudem habe ich Ideen entwickelt, die Kindern botanische Inhalte auf spielerische Weise vermitteln sollen. Die Wahl eines Schwerpunktes bedingt, dass bestimmte Ideen wieder verworfen werden müssen.

Verknüpfung

Suchaufträge

Zweiteilung
Inszenierung




Komponieren und entwerfen
Das Thema Ex situ-Erhaltung ist komplex und umfangreich. Im Hinblick auf das Zielpublikum habe ich versucht, die Thematik auf erzählerische, ansprechende und schnell verständliche Weise zu visualisieren. Anhand von Skizzen habe ich die Inhalte gegliedert und verschiedene Kompositionen durchgespielt. Schlussendlich habe ich entschieden, den Inhalt in vier Teilen zu vermitteln: Ursachen, In situ-Schutz, Ex situ-Erhaltung und Ansiedlung.







Entwürfe zum Kreuz-Enzian (Gentiana cruciata)
Entwürfe zur Hummel-Ragwurz (Ophrys holosericea)
Entwürfe zur Aufrechten Trespe (Bromus erectus)

Individuell und harmonisch Die Kompositionen der einzelnen Portraits sollen sich voneinander unterscheiden. Jede Tafel ist individuell aufgebaut, um den jeweiligen Charakter der Pflanzen möglichst treffend hervorzuheben. Gleichzeitig soll die Serie als Ganzes funktionieren.








Konstruktion und Technik
Erste Überlegungen zu möglichen Konstruktionen sind bereits gemacht. Konkrete Entscheidungen zur Realisierung werden in Absprache mit dem Botanischen Garten Bern getroffen.







06 Fakten



1’151’621

Anzahl erstellte Pinselstriche in der Umsetzungsphase.

204.75

Anzahl gehörte Minuten „Am Wegrand“ während dem Zeichnen. (Ein Podcast zum Aufblühen. Empfehlung für alle Botanikliebhaber*innen.)

13

Anzahl Mails und Telefonate zur Klärung der Schreibweise von “Ex situ”.





07 Merci



Anita und Michael für die sorgfältige und motivierende gestalterische Begleitung

Deborah und Flavia für die angeregte und spannende Kooperation. www.boga.unibern.ch

Felicitas und Jörn für die liebevolle und geduldige Unterstützung

Gian für die fotografische Inszenierung der kleinen Protagonistinnen. www.gianlosinger.com

VSV-Team für das bemerkenswerte Engagement und die aufwendige Koordination

Manuel für die typografische Beratung.

Barbara für das spontane und professionelle Lektorieren


Niggi für den biologischen Feinschliff in Kurzzeit










︎
nina-schwarz@gmx.ch